Transatlantischer Zoff: Digitaler Datenschutz oder digitaler Protektionismus?
EU-Verbraucherschützer fordern eine Nachbesserung der Datenschutzausnahme in internationalen Verträgen. In den USA schlagen Unternehmen und Politik Alarm wegen digitalem Protektionismus. Ein Blick in die tiefe Kluft zwischen den Kontinenten.
Eine neue übergreifende Datenschutzklausel soll die Erosion des Datenschutzes in der EU durch Handelsverträge verhindern. Das empfehlen die Autoren einer Studie, die die europäische Verbraucherschutzinitiative BEUC, der Trans-Atlantic Consumer Dialogue (TACD) und European Digital Rights (EDRI) während der 14. Verhandlungsrunde des geplanten EU-US Handelsabkommens TTIP vorgelegt haben.
Auf der US-Seite hofft man, mit der Verabschiedung des Privacy Shield endlich beim TTIP-Kapitel zum „Digital Services“ voranzukommen. Eine neu gefasste Version der Datenschutzklausel des Allgemeinen Abkommens über den Handel mit Dienstleistungen (GATS) ist dagegen die Hauptforderung, die von Kristina Irion, Svetlana Yakovleva und Marija Bartl von Universität Amsterdam in der im Auftrag der Verbraucherschützer verfassten Studie erheben.
Datenschutzregulierung
Artikel XIV des GATS gilt bislang als bestes Schutzschild gegen den Verlust von Handlungsfreiheit im Bereich Datenschutzregulierung. Daher wurde die Klausel auch in die Entwürfe für TTIP oder für das Trade in Service Agreement (TISA) aufgenommen.
Die Klausel erlaubt den per Handelsabkommen verbandelten Partnern, weiter selbst zu regeln, wie ihr Datenschutz aussehen soll. Allerdings müssen bestimmte Bedingungen erfüllt sein, damit die lokalen Datenschutzregeln nicht als „technische Handelsbarriere“ angegriffen werden können, warnen die Autoren der Studie. Sie schlagen daher vor eine bedingungslose Ausnahme für den Datenschutz vor. Jeder Handelspartner soll explizit ermächtigt werden, auch künftig Regeln für den grenzüberschreitenden Datentransfer verabschieden zu können. Das soll auch nicht von „Tests“ über deren Angemessenheit abhängig gemacht werden können.
Um mögliche Risiken für den Datenschutz in Handelsabkommen zu identifizieren, soll zudem der oberste EU Datenschützer grundsätzlich Stellungnahmen zu den Handelsabkommen verfassen.
Digitaler Protektionismus
Wie sehr die Handelspolitiker in den USA daran interessiert sind, strengere Datenschutzregime zu schleifen, zeigte eine Anhörung diese Woche im Haushaltsausschuss des US-Abgeordnetenhauses. Dessen republikanischer Vorsitzender Dave Reichert warnte entschieden vor den zunehmenden Auflagen von Handelspartnern in Bezug auf lokale Datenhaltung. „Handelsabkommen können wirksame Instrumente sein, solche Barrieren abzubauen und die Märkte für digitale Exporte aus Amerika zu öffnen“, sagte Reichert.
Die geladenen Experten sprachen davon, dass US-Unternehmen nicht selten schärfer beurteilt würden als Konkurrenten aus anderen Ländern. Teilweise habe dies schlicht protektionistische Gründe, teils stünden „fehlgeleitete Vorstellungen von Datenschutz und Vertraulichkeit“ dahinter. Mit der Verabschiedung des Privacy Shield hofft man auf einen Durchbruch für TTIP und TISA.
TTIP über digitale Dienste
Der US-Chef Unterhändler für TTIP, Dan Mullaney, kritisierte zum Abschluss der 14. Verhandlungsrunde, dass man über das Kapitel digitale Dienste bislang noch nicht einmal habe diskutieren können. Aus Sicht der USA gehört das zu den Hauptsorgen in den TTIP-Verhandlungen. EU-Chefunterhändler Ignacio Bercero versicherte, dass er aktuell mit den Mitgliedsstaaten den eigenen Vorschlag für das Digital-Kapitel noch abstimme.
Bemerkenswert ist, dass beide Seiten trotzdem eisern an ihrem Zeitplan für einen TTIP-Abschluss Ende 2016 festhalten. Sollten die transatlantischen Unterhändler tatsächlich im Schweinsgalopp auf den Abschluss zureiten, bliebe für das Aushandeln einer bedingungslosen Datenschutzklausel, wie sie die Verbraucherschützer fordern, allerdings wenig Zeit. In Deutschland allerdings beginnt nun auch die SPD, sich nicht mehr ganz so heimlich von TTIP zu verabschieden.
Quelle: http://heise.de/-3269140