Der Münchner Zugangsanbieter Spacenet will die neuen Vorschriften zur Protokollierung von Nutzerspuren verwaltungsgerichtlich mit Hilfe des Providerverbands eco zu Fall bringen. Der Gesetzgeber habe „Mist gebaut“.

Sebastian von Bomhard, Vorstand der Münchner Spacenet AG, hat die Klage des von ihm geführten Internetproviders gegen das jüngste Gesetz zu Vorratsdatenspeicherung vorgestellt. Immer heiße es, es gehe um den Kampf gegen den Terror, doch im Netz der Fahnder hängen blieben dann höchstens „die kleinen Cybercrime-Dinge“, sagte er. Auch mit dem neuen Vorhaben könne organisierte Kriminalität nicht wirkungsvoll verfolgt werden. Bisher seien die wenigen Daten von Strafverfolgern „durchschnittlich anderthalb Jahre nach dem Vorfall“ angefragt worden, was weit jenseits der Speicherpflicht liege.

Weniger Datenschutz, mehr Kosten

Trotzdem solle der Zugangsanbieter künftig seine rund 1200 Geschäftskunden wie Antenne Bayern oder den Münchner Verkehrs- und Tarifverbund (MVV) überwachen und so mit dem Datenschutz „eines unserer wichtigsten Verkaufsargumente“ torpedieren, wetterte von Bomhard. Gleichzeitig müsste der Provider seinen Kunden „mehr Geld abknöpfen“, da allein die Investition einen „sechsstelligen Betrag für Personal und Hardware“ kostete.

Für den Spacenet-Aufsichtsratsvorsitzenden Alexander Grundner-Culemann wirken die von der Bundesnetzagentur in einer Art „Anhörungspapier“ aufgestellten Anforderungen an die Provider gar „enteignungsgleich“: Es zeichne sich ein „extrem hoher Aufwand“ ab, ein „Extra-Bunker muss in einem Rechenzentrum angelegt werden“.

Mit Unterstützung des eco-Verbands der Internetwirtschaft klagt Spacenet daher vor dem Verwaltungsgericht Köln gegen das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung. Die Vorschriften sollten als „nichtig“ erklärt werden, führte der Karlsruher Staatsrechtler Matthias Bäcker aus, der die Münchner anwaltlich vertritt. Mit einem Eilantrag will Spacenet erreichen, schon für die Verfahrenszeit von der Speicherpflicht ausgenommen zu werden.

Fall könnte vor dem EuGH landen

Den Gang vor das Verwaltungsgericht begründete Bäcker damit, dass dort im Unterschied zum Bundesverfassungsgericht „das gesamte maßgebliche Recht anzuwenden“ sei, also neben den Vorgaben aus dem Grundgesetz auch die Regeln für den Datenschutz und die wirtschaftliche Dienstleistungsfreiheit aus der EU-Grundrechtecharta. Vermutlich kämen die Kölner Richter so auch nicht darum herum, den Fall dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorzulegen.

Der EuGH hat bereits die EU-Richtlinie gekippt, nach Ansicht Bäckers die Frage aber noch nicht eindeutig beantwortet, ob eine anlasslose Vorratsdatenspeicherung überhaupt noch zulässig sei. Klärungsbedarf haben hier zwar auch bereits Richter aus Schweden und Großbritannien gesehen, doch gerade letztere versuchten, „die Grundrechte kleinzuhalten“. Die Spacenet-Klage verfolge „die umgekehrte Stoßrichtung“.

Die Erfolgsaussichten in dem Verfahren schätzt Bäcker hoch ein, auch wenn Schwarz-Rot bemüht gewesen sei, den „detaillierten“ Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts weitgehend zu folgen. Karlsruhe habe sich aber geirrt mit der Ansicht, dass es „nicht so wild“ sei, Zugangsdaten in Form von IP-Adressen ohne Verdacht aufzubewahren. Theoretisch mit ihnen „millisekundengenau nachzuvollziehen“, mit welchen Zielen ein Nutzer über welches Protokoll kommuniziert habe.

Kein Verfolgungsdefizit bei Cybercrime

Gerade bei Betrugsdelikten und Urheberrechtsverletzungen, bei denen in der Regel meist nach den Bestandsdaten hinter einer IP-Adresse nachgefragt werde, lasse sich zudem „ein systematisches Verfolgungsdefizit nicht belegen“. Die Aufklärungsquoten bei Cybercrime seien laut Statistik „durchwegs überdurchschnittlich“. Einen „unzureichenden Schutz von Berufsgeheimnisträgern“ wie Ärzten, Anwälten oder Journalisten wirft Bäcker der Koalition zudem vor, da gerade Provider mit Geschäftskunden hier einzelne Gruppen gezielt vorab aussortieren könnten.

Eco-Vorstand Oliver Süme warnte, dass die Branche gezwungen werden solle, „ein Millionengrab zu schaufeln“. Er sei daher motiviert, „alle Rechtsmittel auszuschöpfen“, um das Gesetz zu kippen. Gegen die Vorschriften sind auch schon mehrere Verfassungsbeschwerden anhängig.

Quelle: http://heise.de/-3199096