De Maizière will mit Gesichtserkennung und Cyberfahndung Terroristen jagen
Bundesinnenminister Thomas de Maizière hat nach den Anschlägen in Bayern einen Anti-Terror-Katalog präsentiert mit mehr Videoüberwachung, biometrischer Fahndung und verstärkter Internetüberwachung.
Die Tinte unter dem jüngsten Anti-Terror-Paket ist noch gar nicht trocken, da hat Bundesinnenminister Thomas de Maizière am Donnerstag bereits eine neue Sicherheitsoffensive verkündet. Im Zentrum des Maßnahmenpakets des CDU-Politikers steht im Lichte der Anschläge in Würzburg und Ansbach sowie des Münchner Amoklaufs eine verschärfte Internetüberwachung. Generell spielt die IT eine große Rolle bei den Vorschlägen des Ministers.
Kein „Schutzraum für Kriminelle“
„Das Internet darf kein Schutzraum für Kriminelle sein“, gab de Maizière als Parole aus. Die angekündigte „Zentrale Stelle für Informationstechnik im Sicherheitsbereich“ (Zitis) soll daher auch im Einklang mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nicht nur rasch aufgebaut werden und für die Behörden Verschlüsselung knacken. Der Innenminister will dort nun „die technischen Fähigkeiten der Cyberaufklärung“ insgesamt bündeln.
Zitis soll laut dem Christdemokraten Polizeien und Geheimdienste von Anfang 2017 an als „Forschungs- und Entwicklungsstelle unterstützen und Methoden, Produkte und Strategien zur Bekämpfung von Kriminalität und Terrorismus im Internet erarbeiten und bereitstellen“. Insgesamt plant der Minister 400 Beschäftigte dafür ein.
Ausweitung der Videoüberwachung
Operativ will de Maizière den Bund mit spezialisierten Cyber-Ermittlern besser aufstellen, um im „Darknet“ gezielt etwa gegen illegalen Waffenhandel vorzugehen oder Kommunikation zwischen Terroristen abzuhören. Für Telekommunikationsanbieter und Betreiber von Telemediendiensten sowie „Over the Top“-Services wie WhatsApp oder Skype sollen die gleichen Regeln und Pflichten gelten. Es dürfe bei Straftätern „keinen Unterschied machen, ob sie telefonieren, die Sprachtelefonie-Funktion von Messenger-Diensten nutzen, Nachrichten schreiben oder über soziale Medien kommunizieren“. Propaganda und Sympathiewerbung für Terror im Netz müsse generell wieder verboten werden.
Der Minister plädiert zudem für eine ausgeweitete Videoüberwachung. Bundespolizei und die Deutsche Bahn seien hier bereits dabei, bis 2019 rund 20 wichtige Bahnhöfe mit modernster Technik aufzurüsten. Er appellierte zudem an die Datenschutzbehörden, Anträge für das Aufstellen von Kameras in Einkaufszentren oder anderen öffentlichen Räumen stärker im Hinblick auf „Sicherheitsbelange“ zu prüfen. Leider seien bei einer kürzlich erfolgten Bombendrohung in einem Shopping-Center in Dortmund Videoaufzeichnungen im Vorfeld untersagt worden.
Mehr Biometrie
Auch beim Einsatz der Biometrie „müssen wir uns technologisch weiterentwickeln“, forderte de Maizière. Das Lichtbild und Gesichtserkennungssysteme sollten „perspektivisch mit einer vergleichbaren Zuverlässigkeit wie der Fingerabdruck zur Identifizierung einer Person beitragen“. Wenn die Polizei derzeit jemand zur Fahndung ausschreibe, hängen sie Plakate an Litfaßsäule. Künftig könne er sich einen automatisierten Abgleich von Gesichtsbildern vorstellen, wenn etwa „ein gesuchter Schwerverbrecher in den Bahnhof geht“.
Hierzulande setzt das Bundeskriminalamt (BKA) derzeit unter anderem die Software FaceVACS ein, um Straftäter zu jagen oder Kinderpornographie im Internet auszumachen. Die traditionellen Erkennungsverfahren beruhen auf einem zweidimensionalen Gesichtsbild. Sie funktionieren gut, wenn die zu identifizierende Person frontal in die Kamera blickt. Liegt keine Kooperationsbereitschaft vor, kommt es zu vielen Aussetzern. Dies bestätigte ein BKA-Feldversuch zur Gesichtserkennung am Mainzer Hauptbahnhof Ende 2006. Dabei sank die Erkennungsrate bei schlechtem Kunstlicht auf zehn bis 20 Prozent. Das BKA verwarf daher zunächst Pläne für einen größeren Einsatz solcher Systeme, entwickelt aber mittlerweile neuere 3D-Verfahren.
Automatisiertes Abrufen
Der Minister warb dafür, „unseren allgemeinen IT-Einsatz“ auszubauen und zu optimieren. Automatisierte Abrufverfahren müssten hierzulande und europaweit stärker genutzt, das polizeiliche Informationswesen harmoniert werden, „damit Daten übergreifend analysiert und ausgewertet werden können“. Alle deutschen Sicherheitsbehörden sollten Zugang auf das geplante Reiseregister der EU erhalten, „zersplitterte Datensysteme“ wie die Asylbewerberdatei Eurodac oder das Schengen-Informationssystem vernetzt werden.
Bei Sicherheitschecks von Flüchtlingen bei der Einreise brachte de Maizière eine verstärkte Durchsuchung von Smartphones und Beziehungen in sozialen Netzwerken ins Spiel. Schon jetzt sei „in bestimmten Fällen mit Richtervorbehalt ein Auslesen von Handys“ bei Asylbewerbern vorgesehen, wenn diese etwa keine Pässe mit sich führten. Um Sympathisanten etwa für den „Islamischen Staat“ (IS) oder Identitäten allgemein besser ausfindig machen zu können, sei auch eine Bitte vorstellbar, die „Facebook-Kontakte der letzten Monate zu zeigen“.
Ausweitung der Vorratsdatenspeicherung
Die Innenminister der von CDU/CSU-geführten Länder wollen bis Ende der nächsten Woche ein eigenes Anti-Terror-Konzept erarbeiten. Dem Vernehmen nach geht es ihnen etwa darum, die Vorratsdatenspeicherung zu erweitern und einen Zugriff von Geheimdiensten vorzusehen. Unklar ist, ob dabei insbesondere die SPD mitspielen wird.
Quelle: http://heise.de/-3293019