Der BND soll künftig auch im Inland Daten aus ganzen „internationalen Telekommunikationsnetzen“ abschnorcheln und Passwörter abfragen dürfen, geht aus einem Gesetzentwurf hervor. Umstrittene Praktiken würden so legalisiert.

Die Bundesregierung und die große Koalition wollen dem Bundesnachrichtendienst (BND) einen weitgehend freien Zugriff auf Netzknoten im Inland erlauben und so eine heftig umstrittene Praxis des Auslandsgeheimdienstes legalisieren. Der BND dürfte das Internet so im NSA-Stil überwachen, also die aus „internationalen Telekommunikationsnetzen“ abgefischten Datenbestände mit Selektoren durchsuchen, Verbindungs- und Standortdaten auf Vorrat speichern, Passwörter abfragen und Informationen mit ausländischen Geheimdiensten wie der NSA austauschen.

Gesetzespaket Geheimdienste

Das geht aus einem Gesetzentwurf zur „Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung“ hervor, an dem das Bundeskanzleramt derzeit mit dem Innen- und dem Justizministerium strickt. Das Gesetz, das Netzpolitik.org am dritten Jahrestag der ersten Snowden-Enthüllungen veröffentlicht hat, soll noch vor der Sommerpause zusammen mit weiteren Initiativen zur „BND-Reform“ und Geheimdienstkontrolle vom Kabinett auf den Weg gebracht werden. Patrick Sensburg (CDU), Vorsitzender des NSA-Untersuchungsausschusses, zeigte sich „verwundert“, dass der Ausschuss nicht involviert und dessen Erkenntnisse nicht berücksichtigt worden seien.

Schon jetzt geht der Auslandsgeheimdienst mit Anordnungen nach dem sogenannten G10-Gesetz an den Frankfurter Netzknoten De-Cix und damit an einen der größten Austauschpunkte für Internetverkehr weltweit. Der BND erklärte Frankfurt und die durch die De-Cix-Anlagen strömenden Bits und Bytes kurzerhand zum „virtuellen Ausland“, um einen Hebel für die Netzspionage zu haben. Ähnlich operierte er bei der Operation Eikonal bei einem Netzknoten der Deutschen Telekom in Frankfurt und leitete die erhobenen Inhalts- und Metadaten zum Teil an die NSA weiter.

Aus dem „Graubereich“ holen

Die Regierung und Schwarz-Rot wollen derlei Aktionen, gegen die der De-Cix-Betreiber mittlerweile den Gerichtsweg eingeschlagen hat, aus dem „Graubereich“ herausholen und rechtlich auf eine feste Basis stellen. Der Kernparagraf 3a des geplanten Gesetzes hat es in sich: „Mit technischen Mitteln“ soll der BND „Informationen einschließlich personenbezogener Daten aus internationalen Telekommunikationsnetzen erheben und verarbeiten“ dürfen.

Die Voraussetzungen dafür sind sehr weit gefasst. Die Befugnis soll etwa schon greifen, wenn der Geheimdienst mit den Daten „frühzeitig Gefahren für die innere oder äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland erkennen und diesen begegnen“ könnte. Der BND soll zudem an die Netze heran dürfen, um die „Handlungsfähigkeit“ der Nation zu wahren oder „sonstige Erkenntnisse“ von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung zu gewinnen.

„Ausspähen unter Freunden“

Nicht erheben dürfte der Auslandsdienst demnach „Daten aus Telekommunikationsverkehren von deutschen Staatsangehörigen, von inländischen juristischen Personen oder von sich im Bundesgebiet aufhaltenden Personen“. Kein Wort findet sich zu der umstrittenen „Funktionsträgertheorie“ des BND, wonach dieser laut eigener Gesetzesinterpretation Deutsche überwachen darf, wenn sie für eine ausländische Organisation wie eine Firma im Ausland agieren. Darüber hinaus will die Regierung Wirtschaftsspionage erschweren.

Vom Vorhaben der Koalition, das „Ausspähen unter Freunden“ zu beenden, ist wenig geblieben. Die Spionage gegen EU-Einrichtungen, öffentliche Stellen ihrer Mitgliedstaaten oder Unionsbürger soll zwar eingeschränkt werden. Recht weite Ausnahmen bestätigen aber auch hier die Regel: wie bei individuellen G10-Anordnungen gegen Bundesbürger dürfte auch in der EU abgehört werden, wenn etwa die Gefahr eines bewaffneten Angriffs oder eines internationalen terroristischen Anschlags droht und wenn es um organisierte Kriminalität oder Cybersicherheit geht.

Quelle: http://heise.de/-3228466