Rolle rückwärts: EU-Kommissionspräsident Juncker lässt den Roaming-Entwurf mit den umstrittenen „Fair-Use“-Regeln zurückziehen. Die Kommission muss jetzt nachsitzen und ein überarbeitetes Papier vorlegen.

Die EU-Kommission hat ihren umstrittenen Vorschlag für das Ende der Roaming-Gebühren im Sommer 2017 wieder zurückgezogen. Auf Anweisung von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker werde der Entwurf überarbeitet, teilte die Kommission am Freitag mit. Laut dem am Montag veröffentlichten Entwurf sollte das kostenlose Roaming innerhalb der EU auf 90 Tage im Jahr begrenzt werden können. Zusätzlich sollten Netzbetreiber verlangen können, dass sich der Kunde mindesten alle dreißig Tage in seinem Heimatnetz einbucht.

Scharfe Kritik

Damit hat sich die Kommission scharfe Kritik eingehandelt. Eine „Farce und eine vergebene Chance“ nannte der netzpolitische Sprecher der Grünen im EU-Parlament, Michel Reimon, den Entwurf. Für die meisten europäischen Verbraucher werde das „lange versprochene Ende des Roamings keine Realität“, kritisierte der Verbraucherschützerverband Beuc. „Die Kommission scheint sich mehr um die kurzfristigen Interessen der Telekommunikations-Industrie zu kümmern als darum, einen echten Binnenmarkt für Verbraucher zu schaffen.“

Vor Jahren hatte die EU-Kommission das Ziel ausgegeben, die Extragebühren für Handytelefonate im EU-Ausland komplett abzuschaffen. Gegen den harten Widerstand der Netzbetreiber wurden die Gebühren zunächst vereinheitlicht und schrittweise abgesenkt. Als letzter Schritt sollten die Gebühren ganz wegfallen. Und das eigentlich schon in diesem Jahr, aber die Industrie konnte eine „Übergangsfrist“ bis Sommer 2017 durchsetzen. Bis zuletzt wird in Brüssel darum gerungen, wie das Ende der Roaming-Ära gestaltet werden soll.

„Fair Use“ für Netzbetreiber

Die Netzbetreiber konnten erreichen, dass die Kommission einige „Fair Use“-Regeln einziehen will, um die Folgen der vollständigen Streichung von Roaming-Gebühren abzufedern. Maximal 90 Tage sollen sich Mobilfunkkunden im Ausland einbuchen können, ab dann können die Anbieter wieder Extragebühren berechnen. Die sollen an die Großhandelspreise gekoppelt werden, um die derzeit noch gerungen wird. Brüssel möchte die Preise, die sich die Netzbetreiber untereinander für die Vermittlung von Verbindungen berechnen, auf 4 Cent pro Minute, 1 Cent pro SMS und 0,85 Cent pro MByte begrenzen.

Kommissions-Vize Andrus Ansip und Digitalkommissar Günther Oettinger versuchen sich am Donnerstag in Schadensbegrenzung. Um „steigende Preise für alle Mobilfunknutzer und Wettbewerbsverzerrungen im Mobilfunkmarkt zu verhindern“, sei aus den Mitgliedsstaaten und dem Parlament der Wunsch nach „Fair Use“-Regeln gekommen, was die Kommission in ihrem Vorschlag berücksichtigt habe. „Ohne einige Schutzklauseln, die Missbrauch vorbeugen sollen, würden die Netzwerkqualität und Investitionen in einen weiteren Ausbau in einigen Ländern Schaden nehmen“, betonen Oettinger und Ansip.

Versuch der Schadensbegrenzung

„Fair-Use“-Regeln seien aufgrund der unterschiedlichen Preise in den EU-Ländern nötig, argumentieren Ansip und Oettinger. Wenn ein Kunde mit einer günstigen SIM-Karte sich dauerhaft in einem anderen Land mit höheren Preisen aufhalte, nähmen beide betroffenen Netzbetreiber Schaden: Der Anbieter der Karte müsste die Verbindungen nach Großhandelspreisen mit dem Anbieter in dem anderen Land abrechnen, was sein Umsatz möglicherweise nicht abdeckt. Langfristig könnte er gezwungen sein, die Preise zu erhöhen. Der zweite Anbieter hingegen könnte seine Kunden verlieren und so zur Preiserhöhungen oder Aufgabe gezwungen sein.

„Wir wollen die Roaming-Gebühren für Menschen, die reisen, abschaffen“, betonen Ansip und Oettinger. „Im Kern gilt: Die EU-Gesetzgeber wollten das Roaming für die normale Nutzung auf Reisen abschaffen, und das Versprechen halten sie.“ Nach der heftigen Kritik war ihr Chef Jean-Claude Juncker davon offenbar nicht mehr überzeugt. Jetzt muss die Kommission nachsitzen. Auf den neuen Entwurf darf man gespannt sein.

Quelle: http://heise.de/-3317325